Es hat noch nie so viele Möglichkeiten, Freiheiten und Formen der Liebe gegeben wie heute- und dennoch scheitern und verzweifeln die meisten regelmäßig an einer Beziehung zu ihrem Liebsten.
Mein Mann und ich reden oft und gerne über Zwischenmenschliches und unsere Mitmenschen. Wir sitzen dann bei einem Gläschen und analysieren förmlich die Menschen und Beziehungen um uns herum. Immer wieder kommt jemand zusammen, trennt sich, traut sich- oder auch eben nicht. Wir fragen uns oft, warum es so vielen in unsrem Umfeld schwer fällt, jemanden für´s Leben oder eine Lebensphase zu finden- und dann, wenn sie wen gefunden haben, die Beziehung zu erhalten.
Es war schließlich noch nie so einfach jemanden kennen zu lernen wie jetzt-im Zeitalter der sozialen Netzwerke, Dating- Apps, sexueller Freiheit und Durchbrechen jeglicher Normvorstellungen von Beziehung und Liebe.
Aber ich denke gerade hier liegt auch das Problem. Heutzutage ist man nicht mehr abhängig von einer Beziehung, einem Partner. Eheschließung und ewige Bindung zur wirtschaftlichen Absicherung gehören in unserer Gesellschaft schon lange der Vergangenheit an. Männer und Frauen kommen jetzt in jeder Lebenslage alleine zurecht.
Anstelle von Liebe, Romantik und Bindung kommt Sex, Pragmatismus und Freiheit. Es gibt einfach nicht mehr genug Ansporn, sich eine dauerhafte Beziehung „anzutun“.
Es ist Freundschaft. Wahre und innige Freundschaft zum Partner.
Ständig sehe ich in Zeitschriften und Online Magazinen Artikel wie “ So verliebt er sich in Dich!“, „Was Männer wirklich wollen!“ etc.- Anleitungen, eine bestimmte Person für sich zu gewinnen. Anleitungen, wie man sich am Besten verstellt um jemanden für sich zu gewinnen, von dem man denkt, ihn sonst nicht für sich begeistern zu können.
Natürlich sind wir alle, wenn wir jemand Neues kennenlernen schüchtern oder geben uns anders, als wir bei näherer Betrachtung wirklich sind. Bis zu einem gewissen Maß ist das auch ganz normal. Am Anfang einer jeden Beziehung, wenn man sich gerade erst verliebt, sieht man über viele Dinge hinweg oder spielt und unterdrückt – bewusst und unbewusst- Gefühle und Charakterzüge. Umso besser man sich kennt, und je näher man sich kommt, desto mehr sollte vom Inneren zum Vorschein kommen…würde man meinen…
Aber ich habe schon so oft Andere dabei beobachtet, wie sie bei ihrem Partner eine ganz andere Rolle spielen, sich komplett anders verhalten als ohne Partner.
Ja, ich kenne sogar Paare, die einander Tag für Tag ein anderes Ich vorleben, als ihrem Umfeld, als sie eigentlich gerne wären. Sie spielen das andere Ich, in der Hoffnung, so besser vom Anderen verstanden und geliebt zu werden- bis sie sich irgendwann selbst verlieren, und ihr Ich nur mehr von der Beziehung zum Partner bestimmt wird.
Und dann gibt es Menschen, die den Anderen so sehr verändern wollen, und in die Rolle des „perfekten“ Partners drängen, dass sie ihren Partner am Ende selbst nur mehr als Marionette sehen.
Natürlich verändert man sich während einer Beziehung. Man soll ja vom Anderen lernen, sich weiterentwickeln. Man findet gemeinsame Stärken, Schwächen, Hobbys und Ziele. Aber trotzdem sollte das Alles aus einem freien Willen, aus Achtung vor dem Anderen passieren.
Für mich ist es nur logisch, dass man sich in Beziehungen, wie oben beschrieben, nicht wohl fühlen und für sich selbst wirklich weiterentwickeln kann. Und folglich entweder nur mehr streitet oder unglücklich ist.
Streit ist in einer Beziehung ohnehin vorprogrammiert und menschlich- bei manchen mehr, bei manchen weniger.
Also warum sollte man eine lange, vielleicht ewige (schwere) Beziehung, Freiheit oder stets neuen Partnern, mit ständigem Kribbeln und Leichtigkeit vorziehen?
Weil man eben nicht mehr Rollen spielen möchte. Weil man neben einem stressigen Vollzeit- Job, Rechnungen, und Problemen des modernen Lebens keine Zeit und Nerven für ständige, besessene Romantik, Theater und Illusion aufbringen will.
Man trachtet irgendwann nicht mehr nach diesem Kribbeln und Spiel, sondern nach MEHR. Mehr ist es, von jemandem richtig gesehen und verstanden zu werden. Mehr ist es, wenn man ICH ist- jeden Tag und jeden Abend.
Wir müssen uns im alltäglichen Leben ständig zurück nehmen und verstellen, deshalb denke ich, dass jeder jemanden braucht, bei dem er immer er selbst sein kann.
Freundschaft ist essentiell für unser Lebensglück. Ein Freund, ein wahrer Freund, will immer das Beste für uns. Er demütigt uns nicht, umzu sehen, ob er uns kränken kann- um dann, das „gekränkt sein“ als Liebe zu interpretieren und sich bestätigt zu fühlen. Ein wahrer Freund verändert einen nicht, nur um vor Freundinnen mit einem so braven Partner angeben zu können. Er liebt uns wie wir sind.
Und diese Freundschaft sehe ich in Beziehungen viel zu selten. Viel zu oft fehlt das gemeinsame Ziel im Leben und tiefes Verständnis für den Anderen. Der Wert der Freundschaft in Beziehungen wird zu sehr vernachlässigt.
Wenn mich jemand fragen würde, was die Beziehung zu meinem Mann ausmacht, dann würde ich antworten, dass er mein bester Freund ist. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er das von mir auch sagen würde.
Natürlich birgt wahre Freundschaft gerade am Anfang genauso viel Streitpotenzial- vielleicht sogar noch mehr. Wenn man ehrlich zueinander ist, dann gibt es folglich auch mehr Zündstoff.
Aber… sind die Streitereien dann mal ausgetragen, und blickt man all den ehrlichen, echten Eigenschaften und Wünschen des Partners ins Auge, dann weiß man zumindest gleich Bescheid, ob man „füreinander geschaffen“ ist…und eine bereichernde Freundschaft und Beziehung vor sich hat.
Was ist eure Meinung zum Thema Liebe? Wie führt ihr eure Beziehung- habt ihr besondere Tipps und Ratschläge, um eine funktionierende Beziehung zu führen? Ich würde mich über euer Feedback und Anregungen zum Thema Liebe freuen!
Foto: Sabine Holaubek